Interview mit Wiebke Pranz, seit 2017 Anspechpartnerin für kulturelle Bildung der Stadt Leipzig
Frau Pranz, wie schätzen Sie die Situation der kulturellen Bildung in der Stadt Leipzig ein?
Grundsätzlich gut! Leipzig ist Kulturstadt und hat ein sehr vielseitiges Spektrum an Kulturangeboten in verschiedensten Sparten. Um diese Strukturen weiter zu stärken und auszubauen, hat der Leipziger Stadtrat in 2019 beschlossen, die Fördermittel für die freie Szene um 3,6 Mio. Euro auf über 10 Mio. Euro aufzustocken. Davon profitiert Leipzigs freie Szene in allen Sparten und natürlich auch die kulturelle Bildung. Konkret bedeutet die Aufstockung: Es können mehr Projekte umgesetzt und Projekte auskömmlicher gefördert werden, was ich im Sinne der Qualitätsentwicklung sehr wichtig finde.
Trotzdem gibt es viele Kinder und Jugendliche, die aufgrund soziökonomischer Nachteile schlechtere Zugänge zu kultureller Bildung erleben oder in Stadtteilen mit weniger kulturellen Angebote leben. Der Stadt ist es sehr wichtig, hier gegen zu steuern. So versucht das Kulturamt gezielt, Angebote und Netzwerke in Schwerpunkträumen der Stadtentwicklung zusammen mit Quartiersmanagements, anderen Ämtern und Akteur*innen vor Ort zu stärken. Mit dem Förderprogramm „Kultur Kollaborateure“ gelingt es uns seit 2019, Kulturelle Bildung direkt in Schwerpunkträume der Stadtentwicklung zu bringen und aktuell mehr als 400 Kinder und Jugendliche elternunabhängig über ihre Schulen, Horte und Kitas zu erreichen.
Aktuell wird die Fachförderrichtlinie Kultur in einem umfangreichen, beteiligungsorientierten Prozess überarbeitet, können Sie diesen und die Hintergründe dieser Verfahrensweise näher beschreiben?
Mit der Überarbeitung der Fachförderrichtlinie (als rechtlicher Grundlage für die Förderung des Kulturamts), sollen die Rahmenbedingungen für die Kulturförderung und die freie Szene in Leipzig weiter verbessert werden. In Workshops mit Vertreter*innen der freien Kunst und Kultur, Verbänden und anderen Fördermittelgeber*innen überprüft das Kulturamt gegenwärtig die Ziele, Kriterien und Instrumente seiner Förderung sowie das Verfahren selbst. Wir möchten, dass die Förderrichtlinie die Bedarfe der freien Kunst- und Kultur künftig noch besser abbildet und gute Impulse für weitere Entwicklungen im Kulturbereich setzen kann.
Vor welchen Herausforderungen steht der Arbeitsbereich kulturelle Bildung aktuell in Leipzig?
Es ist kein spezifisch Leipziger Thema, aber ich glaube, wir alle müssen noch diverser, inklusiver und diskriminierungssensibler werden. Dazu gehört es auch, Diversität und Vielfalt in den eigenen Reihen zu stärken: beim Personal, bei beteiligten Künstler*innen, Workshopleitenden, den Programminhalten und natürlich auch im Bereich der Förderung. Ein Bericht der bundesweiten Initiative kulturelle Integration aus dem Jahr 2021 hat gezeigt, dass sich die kulturelle Diversität unserer Gesellschaft noch nicht ausreichend in Kultureinrichtungen wiederspiegelt. Dabei ist Vielfalt eine Frage der Zukunftsfähigkeit von Kultureinrichtungen und des Zugewinns an Perspektiven, Potential und Expertise.
Natürlich spielen auch die Themen Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) derzeit eine wichtige Rolle in Leipzig. Mich freut es sehr, dass zu diesen Themen nun auf verschiedenen Ebenen Bewegung ins Spiel kommt. So ist Leipzig eine von 50 Modellkommunen bundesweit, die BNE in ihrer kommunalen Kultur- und Bildungslandschaft verankern will. Auch beschäftigen sich die kommunalen Kultureinrichtungen stark mit dem Thema Nachhaltigkeit und Klimaschutz. Das ambitionierte Ziel bis 2035 ist, Veranstaltungen möglichst klimaneutral durchzuführen.
Im Zuge der Corona Pandemie und ihren Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche ist für mich auch die Frage nach Bildungsgerechtigkeit drängender denn je. Kinder und Jugendliche müssen unabhängig von ihrem Hintergrund Gelegenheit haben, kulturelle Bildung zu erleben. Ich wünsche mir deshalb, dass es künftig noch stärker gelingt, kulturelle Bildung in Einrichtungen wie Schulen, Horten und Kitas zu verankern, die von allen Kindern besucht werden und gemeinsam anregende Lebensorte zu gestalten, an denen Kinder und Jugendliche mit allen Sinnen und Neugier lernen.
Mit den Herausforderungen und Chancen kultureller Bildung beschäftigen sich dieses Jahr auch mehrere Veranstaltungen in Leipzig: die YUNIK Konferenz für kulturelle Bildung vom 18. bis 20. Mai, die Fachtagung der LKJ Sachsen am 20. Mai und der Fachtag und Barcamp „Zukunft der Kulturellen Bildung“ am 12. Oktober.