Interview mit Valentin Hacke, pädagogischer Leiter des Kulturbrücken Görlitz e.V.
Wöchentlich nutzen etwa 200 Kinder und Jugendliche die Angebote des Görlitzer Kulturbrücken e.V., der als „CYRKUS“ grenzübergreifende zirkuspädagogische Arbeit macht. Valentin Hacke schildert, wie Finanzierungsunsicherheiten von Land und Landkreis sowie weiteren Förderern den Verein in Schwierigkeiten bringen.
Sachsen hat gerade einen Not-Haushalt beschlossen, der Landkreis Görlitz bringt seinen Haushalt für die kommenden zwei Jahre jetzt auf den Weg. Wann die ersten Zuwendungen für die freien Träger kommen, ist momentan unklar – welche Auswirkungen hat das auf eure Arbeit ab Januar 2025?
Da der Haushalt noch nicht verabschiedet ist, haben wir momentan die Zusage vom Landratsamt, dass wir erst im Juni hören werden, ob wir überhaupt unsere Stellen finanziert bekommen. Das betrifft die einzigen beiden Pädagog*innen, die bei uns arbeiten und daher ist eigentlich das ganze Projekt gefährdet. Wir wissen nicht, wie wir ab Januar weiterarbeiten werden. Meine Stelle ist davon auch betroffen, ich weiß ab Januar nicht, wie ich eigentlich weiterarbeiten kann. Ich bin in diese Festanstellung hineingegangen, weil es die Möglichkeit gab und weil ich es auch als Verantwortung des Landes sehe, genau solche Stellen zu finanzieren. Da es aber keine Pflichtaufgaben sind, fallen wir „hinten runter“.
Auch vom Landratsamt erhalten wir keine Unterstützung oder Beratung, wie wir mit dieser Sache umgehen, sondern wir werden einfach allein damit gelassen und nicht begleitet. Wir als kleiner Träger haben aber keine Rücklagen, um für ein halbes Jahr zwei Stellen vorzufinanzieren. Als Verein und freier Träger arbeiten wir nicht gewinnorientiert und können auch das Klientel, was wir ansprechen, nicht zur Kasse bitten.
Wir leben in einem Sozialstaat und das ist ganz klar die Aufgabe des Staates. Die kontinuierliche (Beziehungs-)arbeit mit den Kindern und Jugendlichen in der Region wird dadurch gefährdet. Wir arbeiten auch mit fragilen Teilnehmenden zusammen, die sonst ganz schnell weg sind. Man muss am Ball bleiben, um die Kinder und Jugendlichen aufzufangen, weil sie sonst auch in falsche Kreise geraten können. Es ist hier in der Region deutlich zu sehen, wie rechte Strukturen versuchen, das Vakuum zu füllen, welches durch die nicht vorhandene Sicherheit für soziale Träger entsteht und dass diese Strukturen Kinder und Jugendliche auf ihre Seite ziehen möchten. Das ist sowohl im Stadtbild als auch in unseren aufsuchenden Arbeitsprojekten zu spüren.
Die kommunalen Kassen sind klamm, auch Zirkusinitiativen aus anderen Kommunen berichten, dass ihnen aufgrund von Mittelkürzungen das Aus droht. Was geht verloren, wenn die Kinder- und Jugendzirkusse ihre Arbeit nicht mehr finanzieren können?
Es geht verloren, dass es einen Anlaufpunkt und Save Space gibt für Kinder und Jugendliche, in dem sie sich kreativ ausleben können und in dem sie einfach Kind oder Jugendliche*r sein und an ihren Verantwortungen wachsen und Selbstwirksamkeit erleben können. Das sind aus meiner Sicht sehr wichtige Faktoren für unsere Gesellschaft, die weiter nach vorne gebracht werden sollten und wo wir großen Nachholbedarf haben. Es ist auch deshalb wichtig, Kinder und Jugendliche zu stärken, damit sie die erfahrene Selbstwirksamkeit auch später weitergeben können.
Ein weiterer wichtiger Faktor ist es, Diversität auszuprobieren. Das fällt auch weg, Kinder und Jugendliche haben keine Möglichkeit mehr diese Diversität auszuprobieren, die wir für unsere Gesellschaft eigentlich benötigen. Es wird dann oft ganz schnell gesagt von Politiker*innen, vor allem von der CDU, wir sollen wirtschaftlicher arbeiten, wo ich mich frage, nach welchen Regeln wollen wir miteinander leben? Gemeinnützige Vereine dürfen nicht wirtschaftlich arbeiten. Es wird auch gesagt, man soll sich breit aufstellen, sich viele Fördergeldgebende suchen, man soll sich nicht nur auf einen verlassen, z.B. auf das Land oder die Landkreise. Das machen wir, wir haben acht Fördergeldgebende. Aber überall existiert das gleiche Problem, alle Gelder werden zurückgefahren, das bedeutet für uns, an acht Fronten zu kämpfen, d.h. wir kämpfen nicht nur für den Landkreis und können uns da stark machen und alle Energie hineinsetzen sondern wir müssen das an acht verschiedenen Stellen machen. Das ist der Landkreis, das ist das Land, der Bund und Europa – und es betrifft alle. Wir haben uns ein Kartenhaus zusammengebaut, das ist toll, aber wenn man die unterste Karte wegzieht, stürzt das Haus ein.
Interview vom 12.12.24