Interview mit Kirstin Zinke, seit Mai 2022 Geschäftsführerin des Landesverbands Soziokultur Sachsen.
2022 war das Jahr der Jubiläen für viele Landesverbände, auch der Landesverband Soziokultur feierte 30-jähriges Bestehen. Was macht den Verband nach 30 Jahren aus? Wo liegen die Schwerpunkte der kommenden Jahre?
Der Landesverband ist in seiner Herkunftsgeschichte fest verankert mit der politischen Wende. Die Gründungsmütter und -väter waren zuvor in subkulturellen Nischen, kirchennahen Kreisen und privaten Initiativen engagiert. Sie eroberten mutig das nach 1990 entstandene Vakuum und füllten dieses mit Soziokultur und gesellschaftlichem Diskurs. So hat sich der Verband seinen inhaltlichen Anspruch und seinen gesellschaftlichen Auftrag selbst formuliert. Das macht den Verband auch heute aus. Seine Mitglieder sind leidenschaftliche Gestalter und Ermöglicher. Der Landesverband mischt sich ein. Scheut keine Debatte. Lebt Demokratie. Kultur und Gesellschaft brauchen solche Unruhepole. Aktuell sind wir mit über 60 Mitgliedseinrichtungen sachsenweit präsent. Darauf sind wir stolz und arbeiten weiter daran, unser Netz auszubauen.
Die Gesellschaft steckt in tiefen Krisen. Dachten wir noch, dass wir die Pandemie überwunden haben, so erschüttert uns aktuell schwer der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und seine Folgen. Wie geht die Gesellschaft und wie geht der Kulturbetrieb damit um? Welchen Beitrag kann die sächsische Soziokultur leisten? So werden wir im Herbst diesen Jahres mit einem Fachtag auf das aktuelle Geschehen reagieren und über die Zukunft sächsischer Soziokultur debattieren. Wir müssen uns nicht neu erfinden. Aber unsere Rolle in der Gesellschaft neu definieren. Wir werden als Dach- und Fachverband noch stärker die Interessen unsere Mitglieder vertreten und uns in den kulturpolitischen Diskurs einbringen. Das geht nur gemeinsam in enger Zusammenarbeit mit den Sächsischen Kulturverbänden.
Soziokulturelle Zentren sind Orte kultureller Bildung. Welche Rolle können sie bei der Umsetzung des Landesweiten Konzepts Kulturelle Bildung im Freistaat Sachsen spielen?
In allen sächsischen Kulturräumen sind unsere soziokulturellen Zentren vertreten. Wir sind verlässliche Partner für Akteur*innen in urbanen und ländlichen Räumen. Kulturelle Bildung ist eine Grundsäule unseres Wirkens. Bei der Erstellung des Landesweiten Konzeptes haben wir aktiv mitgewirkt. Soziokultur ist ihrem Wesen nach teilhabeorientiert. Kultur von allen, für alle und überall. Wir leben den erweiterten Kulturbegriff. Das darf nicht verwechselt werden mit Niedrigschwelligkeit oder Qualitätsverlust. Im Gegenteil. Das gesetzte Ziel, jedem den Zugang zu ermöglichen, ihn zu gewinnen und zu beteiligen ist hoch und nur durch große Professionalität erreichbar. Unsere Einrichtungen verfügen über diese Professionalität und sind Netzwerker. Ich freue mich auf den bevorstehenden gemeinsamen Prozess der Fortschreibung. Es ist immer gut, Geleistetes zu hinterfragen und sich neu zu justieren.
Die Zeiten bleiben herausfordernd, ob steigende Energiekosten, Inflation oder die Unterbringung von Geflüchteten in Sachsen – wie begegnen die soziokulturellen Zentren den steigenden Anforderungen?
Machen! Soziokulturelle Zentren sind gesellschaftliche Anker. Sie sind notwendige Institutionen für ein gelingendes Gemeinwesen. Sie sind Teil der Bürgergesellschaft und eben Mitgestalter. Und: sie sind in aller Regel nicht kommunal getragen. Die meisten unserer Einrichtungen haben die Rechtsform eines Vereins, seltener einer gGmbH. Hier ist ein betriebswirtschaftliches Denken überlebenswichtig und vorhanden. Dennoch, die aktuellen Herausforderungen führen auch uns an unsere Grenzen. Nicht jedes Anliegen einer Kommune und nicht jede noch offenen soziale Flanke kann durch soziokulturelle Einrichtungen geschlossen werden. Wir leisten verlässlich unseren Beitrag. Ich hoffe und wünsche mir, dass die politisch Verantwortlichen auf kommunaler, Landes – und Bundesebene das notwendige Ihre tun. So werden wir gemeinsam die Herausforderungen meistern.